Die neue Rote Hilfe Zeitung ist erschienen. Schwerpunkt der Ausgabe: Konsequent antifaschistisch.
Ihr könnt die Zeitung im Bahnhofsbuchhandel kaufen oder im Literaturvertrieb bestellen. Mitglieder bekommen die Zeitung zugeschickt.
Außerdem ist sie wie alle Ausgaben seit 3/2011 auch als PDF-Download verfügbar.
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Aktuell laufen mehrere Gerichtsverfahren gegen Klimagerechtigkeitsaktivist*innen wegen einer Blockade des Kohlekraftwerks Neurath im November 2021. Nachdem das Amtsgericht Grevenbroich im vergangenen Jahr zwei Haftstrafen verhängt hatte, hat nun das Landgericht Mönchengladbach dieses drakonische Urteil deutlich abgemildert: Am 12. Januar 2024 endete das Berufungsverfahren in einem Fall mit einer hohen Geldstrafe über 120 Tagessätze.
Am 5. November 2021 hatten rund 40 Klimagerechtigkeitsaktivist*innen die Gleise zum Kraftwerk Neurath über 14 Stunden lang blockiert und damit die Kohlezufuhr verhindert. Nach der brutalen Räumung der „BlockNeurath“-Aktion wurden zehn Blockierer*innen tagelang in der Polizeistation in Gewahrsam gehalten, um sie zu zwingen, ihre Identität preiszugeben.
Im Nachgang wurden bisher vier Kohlekraftgegner*innen angeklagt. Außer „Störung öffentlicher Betriebe“ wird ihnen „Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte“ vorgeworfen. Der „Widerstand“ soll allein im Anketten im Gleisbett bestehen, weil die Einsatzkräfte dadurch nicht problemlos räumen konnten.
Im ersten Prozess vor dem Amtsgericht Grevenbroich hatte die Richterin kein Interesse an den Abläufen, sondern nur absoluten Verfolgungswillen gezeigt. Folglich verkündete sie am 3. April 2023 ein drakonisches Urteil über neun Monate Haft ohne Bewährung und begründete dies mit der politischen Überzeugung der angeklagten Person.
Dagegen wurde Berufung eingelegt und seit dem 27. Oktober 2023 vor dem Landgericht Mönchengladbach verhandelt. Nach sechs Verhandlungstagen fand am 12. Januar 2024 die Urteilsverkündung statt, bei der die Richterin 120 Tagessätze zu 30 Euro verhängte. Damit reduziert sie zwar das unhaltbare Urteil der ersten Instanz deutlich, aber es bleibt offensichtlich, dass die Repression gegen die Klimagerechtigkeitsbewegung weiter anhält.
Wegen der BlockNeurath-Aktion hatte das Amtsgericht Grevenbroich am 19. Dezember 2023 eine zweite Klimagerechtigkeitsaktivistin ebenfalls zu neun Monaten ohne Bewährung verurteilt, und am 15. Januar 2024 beginnt ein weiterer Prozess wegen der Blockade.
2024 jährt sich die Gründung der Roten Hilfe Deutschlands (RHD) zum 100. Mal: Am 1. Oktober 1924 wurde die Solidaritätsorganisation offiziell gegründet. Das nimmt die Rote Hilfe e. V. zum Anlass für Jubiläumsveranstaltungen unter dem Motto „100 Jahre Rote Hilfe“.
Beginnend mit einer Eröffnungsgala im Februar wird das Jubiläum das ganze Jahr 2024 hindurch in vielfältiger Weise aufgegriffen: Eine Ausstellung, die in vielen Städten zu sehen sein wird, beleuchtet die hundertjährige Geschichte der organisierten strömungsübergreifenden Solidarität für linke Aktivist*innen. In einem Film zum selben Thema kommen Rote Helfer*innen und von Repression Betroffene verschiedener Generationen zu Wort und beleuchten die Kontinuitäten und Veränderungen im Laufe der Jahrzehnte. Bundesweit planen Ortsgruppen Vorträge und andere Veranstaltungen zu Geschichte und Gegenwart der Roten Hilfe(n), um zugleich für die Idee und Praxis der Solidarität zu werben.
Die Rote-Hilfe-Arbeit ist nicht ohne Brüche verlaufen: Die Rote Hilfe Deutschlands der Weimarer Republik, die zu einer der größten Massenorganisationen der Arbeiter*innenbewegung herangewachsen war, wurde 1933 von den Nazis in die Illegalität getrieben und schließlich blutig zerschlagen. Erst zu Beginn der 1970er-Jahre entstanden wieder erste Gruppen unter dem Namen „Rote Hilfe“, die sich politisch stark gegeneinander abgrenzten und bald einen Niedergang erlebten. Ende der 1970er-Jahre existierte nur noch die von der KPD/ML gegründete Rote Hilfe Deutschlands, die sich um eine politische Öffnung für breitere Spektren bemühte. Damit hatte sie 1986 Erfolg, als sie sich in Rote Hilfe e. V. umbenannte und damit den Ausgangspunkt der heutigen strömungsübergreifenden Solidaritätsorganisation bildete.
Wie jedes Jahr finden an Silvester in mehreren Städten Kundgebungen und Demonstrationen vor Knästen statt. Knäste, der repressive Polizeiapparat und Kriminalisierung sollen zu Handlungsunfähigkeit, der Zerschlagung von Bewegungen und zu Isolation führen. Das Gefängnissystem ist ein zentraler Bestandteil des Kapitalismus. Vor allem arme Menschen landen im Knast. Zehntausende Menschen sitzen in Deutschland im Knast, weil sie Geldstrafen nicht bezahlen konnten. Wir wollen den Gefangenen zeigen, dass sie nicht alleine sind. Lasst uns am 31.12. vor Knästen zusammenkommen, zu versuchen, die Isolation zu brechen und das neue Jahr gemeinsam zu beginnen und unsere Solidarität auszudrücken.
Hier eine Zusammenstellung von bundesweiten Aktionen, meldet euch gerne mit weiteren zu ergänzenden Terminen:
31.12.2023 * Berlin * 15 Uhr
Kundgebung vor der JVA Tegel (Infos)
31.12.2023 * Berlin * 22:30 Uhr
Kundgebung vor der JVA Moabit (Infos)
31.12.2023 * Bruchsal * 16 Uhr
Demonstartion zur JVA Bruchsal ab Bahnhof Bruchsal (Infos)
31.12.2023 * Dresden * 15 Uhr
Demonstration zur JVA Hammerweg (Infos)
31.12.2023 * Glückstadt * 16:30 Uhr
Kundgebung vor dem Abschiebeknast Glückstadt (Infos)
31.12.2023 * Leipzig * 17 Uhr
Kundgebung vor der JVA Leinestraße (Infos)
31.12.2023 * München * 19 Uhr
Demonstration zur JVA München ab Giesinger Bahnhofplatz (Infos)
Quelle: https://gemeinschaftlich.noblogs.org/silvester-zum-knast-bundesweite-termine-2023/
Liebe Rote Helfer*innen,
unsere Genoss*innen der Geschäftsstelle & des Literaturvertriebs sind ab heute bis zum 08. Januar im wohlverdienten Winterurlaub.
Ab dann stehen die Genoss*innen euch wie gewohnt mit Rat und Tat zur Seite!
Wir wünschen erholsame und repressionsfreie Tage & einen guten Rutsch!
Auf ein gemeinsames kämpferisches Jahr 2024 für unsere politischen Gefangenen, die Verteidigung der Grundrechte und massenhafte Solidaritätsarbeit!
Rote Hilfe e.V. Bundesvorstand, 22.12.2023
Mal wieder demonstriert der Staat seine Wehrhaftigkeit gegen die „Gefahr von Links“ – diesmal trifft es die mutmaßlichen Archivar*innen des statischen Archivs von Indymedia linksunten.
Anfang August 2023 fand eine Razzia bei fünf Linken aus Freiburg statt. Es traf die gleichen Leute wie schon 2017, inklusive Beschlagnahmung von rund einem Dutzend Mobilgeräten und mehr als einem halben Dutzend Computern sowie etlichen Speichermedien. Die Staatsanwaltschaft will damit sechs Jahre nach Vereinsverbot durch den Bundesinnenminister die Aufrechterhaltung des Vereins beweisen. Die „Fortführung“ soll darin bestanden haben, ein Archiv der Open Posting-Seite verbreitet zu haben. [1]
Das Online-Portal, das 2009 zum Protest gegen den NATO-Gipfel online ging, entwickelte sich über die Zeit zu einem der wichtigsten linksradikalen Medien im deutschsprachigen Raum. Die Artikel und Medien auf dem Portal dokumentieren Proteste vom NATO-Gipfel 2009 in Strasbourg/Baden-Baden bis zum G20-Gipfel in Hamburg 2017, aber auch den in diese Zeit fallenden Aufstieg der AfD in Deutschland. In fast 250.000 Kommentaren wurden die Berichte eingeordnet, Recherchen ergänzt und viele lebhafte Debatten geführt.
Die Open Posting-Seite, auf der ohne Anmeldung Inhalte veröffentlicht werden konnten, ging nach dem Vereinsverbot 2017 offline. Nach einer Strafanzeige wurde ein Ermittlungsverfahren wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung eingeleitet. Anfang 2020 ging linksunten als statisches Archiv, also ohne die Möglichkeit neue Artikel zu veröffentlichen, wieder online und ist seitdem auch unter der alten URL wieder abrufbar. Das §129-Verfahren gegen die fünf Freiburger*innen wurde Mitte 2022 eingestellt. Radio Dreyeckland berichtete Ende Juli in einem Kurzartikel über die Einstellung des Strafverfahrens. [2]
Am Mittwochmorgen fanden berlinweit acht Razzien statt, die sich explizit gegen migrantische Selbstorganisierung gerichtet haben. Betroffen waren sowohl vermeintliche Mitglieder der kommunistisch-feministischen Gruppe ZORA, das Neuköllner Café Karanfil, sowie das InterBüro im Wedding.
Die Razzien richteten sich laut Medienberichten gegen die feministische Organisation ZORA. Die laut ihrem Selbstverständnis unabhängige, antikapitalistische Organisation für junge Frauen thematisiert Gewalt gegen Frauen und Femizide wie im Fall von Zohra G. im vergangenen Jahr. Darüber hinaus nimmt die Gruppe solidarischen Bezug auf Befreiungskämpfe wie in Rojava und beteiligt sich an Antikriegsprotesten. Sie setzt die Befreiung der Frau in den Kontext zu diesen Befreiungskämpfen.
Berlin, den 20.12.2023
Heute morgen fanden berlinweit acht Razzien statt, die sich explizit gegen migrantische Selbstorganisierung gerichtet haben. Betroffen waren sowohl vermeintliche Mitglieder der kommunistisch-feministischen Gruppe ZORA, das Neuköllner Café Karanfil, sowie das InterBüro im Wedding.
Aus einer Veröffentlichung der Gruppe ZORA zur Situation der Palästinenser*innen und dem Krieg in Gaza auf Instagram wurde von den Repressionsbehörden umgehend ein Ermittlungsverfahren wegen des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger und terroristischer Organisationen konstruiert. Unter dem Vorwand, nach Material zu suchen, mit dem für die PFLP geworben worden sei, drangen heute in den frühen Morgenstunden über 170 Beamte in die Privaträume der überwiegend jungen Genoss:innen sowie die beiden Treffpunkte ein und beschlagnahmten eine große Anzahl elektronischer Geräte sowie eine noch unbekannte Anzahl weiterer Unterlagen. Dabei richteten sie teilweise große Verwüstung an. Zumindest die Durchsuchung des Interbüros im Wedding fand ohne das Beisein Betroffener statt. Dort wurden auch die Unterlagen aller im Laden ansässiger Gruppen mit durchsucht, auch ein von der Roten Hilfe genutzter Spind, in dem wir allerdings keinen sensiblen Unterlagen aufbewahren. Bis jetzt wurde dem eingeschalteten Rechtsanwalt Alexander Gorski noch kein Beschlagnahmeprotokoll ausgehändigt. Im Gespräch mit uns zeigte er sich schockiert von der in Relation zum Tatvorwurf absolut unverhältnismäßigen Aktion der Polizei, die sich nahtlos in die derzeitige Repression gegen migrantische Linke und die Palästinasolidarität einreihe.
Seit Anfang 2023 stehen in Nordrhein-Westfalen mehrere Klimagerechtigkeitsaktivist*innen vor Gericht, denen vorgeworfen wird, im November 2021 an einer Blockade des Kohlekraftwerks Neurath beteiligt gewesen zu sein. Bereits in einem ersten Prozess vor dem Amtsgericht Grevenbroich hatte die Richterin am 3. April 2023 neun Monate Haft ohne Bewährung verhängt. Am 19. Dezember 2023 endete der Prozess gegen eine weitere Angeklagte mit einem identischen Urteil: Dieselbe Richterin verurteilte sie ebenfalls zu einer Haftstrafe von neun Monaten, die auch in diesem Fall nicht zur Bewährung ausgesetzt wurde.
Am 5. November 2021 hatten rund 40 Klimagerechtigkeitsaktivist*innen 14 Stunden lang die Kohlezufuhr zum Kraftwerk Neurath blockiert. Bei der Räumung der „BlockNeurath“-Aktion ging die Polizei äußerst brutal vor und verweigerte Verletzten eine angemessene medizinische Versorgung. Tagelang wurden zehn Kohlekraftgegner*innen unter schikanösen Bedingungen in der Polizeistation in Gewahrsam gehalten, um sie zur Preisgabe ihrer Identität zu zwingen.
Bisher erhielten insgesamt vier Aktivist*innen Anklageschriften wegen „Störung öffentlicher Betriebe“ und „Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte“. Der zweite Vorwurf beruht allein auf dem Anketten im Gleisbett, weil die Einsatzkräfte dadurch nicht problemlos räumen konnten.
Seit mittlerweile über 19 Monaten befindet sich das Grup-Yorum-Mitglied İhsan Cibelik in Untersuchungshaft. Der Musiker war gemeinsam mit Özgül Emre und Serkan Küpeli im Mai 2022 festgenommen worden. Ihnen wird vorgeworfen, das „Deutschland-Komitee“ der in Deutschland seit 1989 verbotenen linken Organisation DHKP-C zu bilden und damit einer sogenannten terroristischen Vereinigung im Ausland nach Paragraf 129b anzugehören. Aus diesem Grund will die deutsche Justiz die drei Linken für mehrere Jahre hinter Gitter bringen.
Bereits bei seiner Festnahme hatte İhsan Cibelik gegenüber den Verfolgungsbehörden erklärt, dass eine Biopsie vorgenommen werden müsse, da bei ihm der Verdacht auf eine Krebserkrankung bestehe. Erst über 15 Monate später wurde diese Untersuchung in der Uni-Klinik Köln vorgenommen und Prostata-Krebs diagnostiziert. Die von der Verteidigung geforderte Entlassung zur medizinischen Behandlung wird ihm weiter verwehrt.
Seit dem 18. März 2022 befindet sich die linke Aktivistin Eda Haydaroğlu im unbefristeten Hungerstreik, um die Freilassung von Cibelik zu fordern und gegen den Gesinnungsparagrafen 129b zu protestieren. Wenig später schlossen sich ihr Ilgin Güler, Sevil Sevimli und Lena Ileni Acikgöz an, die seitdem ebenfalls lediglich Vitamine und Flüssigkeit zu sich nehmen. Sie haben ein Protestzelt als Dauermahnwache vor dem Bundesjustizministerium in Berlin aufgeschlagen.
Seit dem erneuten Aufflammen des Nahostkrieges nach den Angriffen der Hamas auf Israel seit dem 7. Oktober, bei dem zahlreiche Zivilist*innen ermordet und verschleppt wurden, hat eine Vielzahl von Demonstrationen und Kundgebungen stattgefunden, die sich mit der Not leidenden palästinensischen Bevölkerung im Gaza-Streifen solidarisieren und ein Ende des Krieges fordern.
An diesen Versammlungen haben hierzulande auch linke Aktivist*innen teilgenommen, um sich beispielsweise für eine Waffenruhe, ein Ende der Angriffe auf die Zivilbevölkerung oder auch das Selbstbestimmungsrecht der palästinensischen Bevölkerung einzusetzen. Die Versammlungen unterscheiden sich zwar in der Anzahl der Teilnehmenden wie auch der Art der Durchführung etc. in den verschiedenen Städten recht stark, teilen jedoch ähnliche politische Forderungen. Dabei kommt es zu starken Eingriffen der Behörden in die Versammlungsfreiheit.
Direkt nach den Angriffen der Hamas wurden zahlreiche Versammlungen verboten, durch Auflagen erschwert oder vor Ort ad hoc aufgelöst. Auch wenn inzwischen wieder Versammlungen stattfinden konnten, hält die Tendenz zu starken Beschränkungen weiter an. Die Folge ist vor allem massive Polizeigewalt gegen Demonstrierende. Selbst Slogans wie „Free Palestine“ werden verfolgt. Die Deutung obliegt bislang weiterhin den örtlichen Ordnungsbehörden.